Raphael Röwekamp aus Dortmund
10.06.2018

vor Ort

Gott zwischen Bier und Fußball

Die CREDO-Convention aus Dortmunder Sicht

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von Marie Eickhoff

Die Sitze der U-Bahn sind hier dick gepolstert, wie bei einem alten Sofa. Raphael Röwekamp sitzt bequem auf dem rot karierten Sitz. Er fährt gerade von Dortmund-Aplerbeck in die Innenstadt. Er mag, dass er mit der Bahn so schnell durch die Stadt kommt. Die CREDO-Convention ist im Kreuzviertel, einem der hipsten Viertel der Stadt. Hier wohnen Studierende, junge Familien und Dortmunder Originale in Altbauwohnungen mit Dielenboden. An vielen Ecken gibt es Kneipen, Trinkhallen oder Cafés mit selbstgemachter Marmelade. Gegenüber einem Friseursalon steht die Kreuzkirche.

Die Kreuzkirche in der Dortmunder Innenstadt

Auf der Straße ist Musik zu hören. Viel Bass, Schlagzeug und E-Gitarre. Die Musik kommt durch die geöffneten Holzpforten der Kreuzkirche. "Was ist denn hier los?", fragt Heike Volbers und guckt überrascht die Treppenstufen hoch. Sie läuft gerade zufällig vorbei und hört den Soundcheck der Outbreak-Band. "Ich freue mich total darüber, das hier so laut zu hören." Sie ist in Dortmund aufgewachsen, das hier ist ihr Viertel. Aber selten kommt so laute Musik aus der Kirche. Das findet sie toll und erzählt im Weiterlaufen direkt ihren Freunden davon.

Drinnen ist Party. Mehr als 300 Leute tanzen zwischen den Bankreihen. Nebel in der Kirchenkuppel, Schneinwerfer und Blitzlichter über dem Altar. Raphael ist geflasht. "Das ist Party mit Jesus. Ich glaube, da müssen sich viele erstmal dran gewöhnen." Für ihn ist es auch neu, so ausgelassen in der Kirche zu tanzen. Dabei war er schon oft hier. Denn die Kreuzkirche ist das Zuhause der Jungen Kirche Dortmund. Raphael war Messdiener, in verschiedenen Gremien und studiert jetzt katholische Theologie in Münster. Er möchte genauer verstehen, was das Christentum ausmacht oder wie die Bibel zu verstehen ist. Er tauscht sich gerne über seinen Glauben aus. "Glauben bedeutet für mich, die Unbegreiflichkeit Gottes zu erleben. Sie vielleicht nicht zu verstehen, aber sie genau deshalb weiterzugeben."

Ruhrpottler sind direkt und herzlich. Das meint Sarah Fitzek. Sie arbeitet als Radiojournalistin beim WDR in Dortmund und ist in ihrer Freizeit Messdienerleiterin. Dortmund assoziiere man eher mit Bier und Fußball, aber nicht mit Gott. Dass Gott bei der CREDO-Convention quasi aus der Kirche klang, findet sie super. Wenn sie für ihre Beiträge lange mit Menschen spricht, wird es oft persönlich. Dann kommt das Gespräch regelmäßig auf das Thema Gott. "Ich habe das Gefühl, dass das den Leuten schon was bedeutet. Das interessiert sie, sie möchten darüber reden." Wenn ihr jemand sagt, er könne nicht so gut mit Gott reden, sie als Messdienerin hätte da einen besseren Draht zu, sagt sie: "Quatsch! Wahrscheinlich freut sich Gott viel mehr, mal wieder von dir zu hören."

Manchmal wäre Platz für mehr. Raphael weiß, dass bei den Aktionen der Jungen Kirche oft so 50 junge Leute kommen. Das ist super, aber bei 600.000 Menschen in der Stadt wünscht er sich, dass noch mehr kommen. "Es ist schwierig, was Neues zu starten und nicht die Gemeindestrukturen zu zerstören." Wenn alle zur Jungen Kirche kommen, geht vielleicht niemand mehr in die Kirche vor Ort. Das sieht er als Herausforderung.

Auch in sozialen Brennpunkten wie der Dortmunder Nordstadt ist die Situation schwierig, weil die Kirchen leer sind und es nicht genug Kapazitäten gibt, um dort etwas Neues anzustoßen. Aber die Dortmunder resignieren nicht. "Man kann resignieren oder eine neue Perspektive einnehmen", sagt Kristina Sobiech von Young Caritas Dortmund. "Warum sollen wir uns nur in Kirchen sammeln? Man kann auch rausgehen." Sie findet, das ist die richtige Stoßrichtung. In ihrer Arbeit arbeitet sie mit vielen Ehrenamtlichen. Da überlegen sie zusammen, was das Talent jedes einzelnen ist und schaffen dafür dann eine Aufgabe. "Dann ist Gott ganz nah. Da sprühen viele Funken." So erlebt sie Dortmund. "Die Leute labern nicht lange, sondern packen an und sind sehr liebenswert."

Raphael Rödeweck über seinen Glauben

"Da sprühen Funken."

Kristina Sobiech
Young Caritas Dortmund

Die Dortmunder mögen keinen zu frommen Ton. Das weiß Dekanatsjugendseelsorger Martin Blume. "Auch nicht zu viel Weihrauch." Er arbeitet hauptsächlich im Vorort Dortmund-Hörde. Dort gibt es teure neue Häuser direkt neben sozialen Brennpunkten. Er trägt meistens kein Colarhemd bei der Arbeit und am liebsten seine weiß-schwarzen Sneaker. "Wir haben hier in Dortmund einen ehrlichen, offenen Umgang", berichtet Iris Meiser vom Referat für Jugend und Familie. "Die Dortmunder sind heimatverbunden." Aber die jungen Menschen hier seien auch sehr an internationalen Begegnungen wie beim Weltjugendtag interessiert. Am besten kommen im Moment Angebote an, die über ihre Atmosphäre wirken. "Die Leute rödeln den ganzen Tag. Dann ist das sehr wohltuend für sie", erzählt Iris Meiser. Schönes Licht und Musik - "dann sind sie total beseelt." Für solche Angebote seien die Dortmunder dankbar.

Für die Zukunft wünscht sie sich, dass alle jungen Menschen in Dortmund ein Zuhause für ihren Glauben finden. Und Martin Blume hofft, dass es mehr Leute gibt, die sagen: "Mir ist die Jugend wichtig." Dass alle in den Gemeinden verstehen, dass in der Jugend die Zukunft steckt.

Die Kreuzkirche bunt beleuchtet bei der CREDO-Convetion

Auf dem Rückweg holt sich Raphael noch ein Eis. "Hach, es ist so schön hier." Er genießt es, nach der Convention durch die Innenstadt zu schlendern. Im Ohr noch die Worship-Lieder der letzten 24 Stunden. Er ist noch aufgedreht und hat alles im Kopf, was er mit den anderen jungen Christen aus den unterschiedlichen Gemeinden bequatscht hat. Als die Sonne untergegangen ist, steht er wieder am U-Bahn-Gleis. Er erzählt gerade, dass er manchmal eine Kette mit einem Kreuz trägt, um seinen Glauben zu zeigen. Oft wird er dann darauf angesprochen und es entstehen überraschende Diskussionen entstehen. Da fährt die U47 nach Aplerbeck ein. "Oh, ich muss los." Eine schnelle Umarmung. Morgen früh fährt die Bahn wieder in die Stadt.